Junko Wada im Haus am Waldsee

Das Schlagen der Papageienflügel

(Junko Wada im Haus am Waldsee)

Die Japanerin Junko Wada vereint zwei Welten: Sie malt, indem sie tanzt. Was dabei entsteht, zeigt jetzt das Haus am Waldsee.

Ein zierliches Persönchen springt auf die Leinwand zu, macht eine abrupte Drehung, prallt mit dem Oberkörper ab. Der Pinsel in ihrer Hand hinterlässt rote Striche auf dem blanken Weiß. Später wird sie ihre Fußspitzen in Farbe eintauchen, sich auf den Boden gleiten lassen und so weitere Spuren auf dem Bild setzen. Das Video im Haus am Waldsee zeigt die Japanerin Junko Wada bei einer acht Stunden dauernden Performance vor zwei Jahren während des Maerzmusik- Festivals im Haus der Berliner Festspiele. Die

Künstlerin ist Tänzerin und Malerin, in ihren großformatigen Gemälden vereint sie beide Disziplinen. In Berlin sind diese flirrend-farbigen Tanzspurenbilder nun erstmals in institutionellem Rahmen zu sehen.

Hier kennt man die Endfünfzigerin bisher vornehmlich als Performerin. Immer wieder hat Junko Wada mit Sasha Waltz zusammengearbeitet, ist im Hebbel am Ufer, in der Akademie der Künste oder im Haus der Kulturen der Welt aufgetreten, häufig auch mit dem Komponisten und Klangkünstler Hans Peter Kuhn, ihrem Ehemann. Abstrakt ist ihr Tanz, abstrakt ist auch ihre getanzte Malerei, die nun für kurze Zeit als Sommerintermezzo im Haus am Waldsee ausgestellt wird, bevor der Kunstherbst beginnt. Was als beinahe asiatisch anmutende, vor dem Auge hüpfende Kalligrafie beginnt, verdichtet sich immer zu einem harmonischen Gewebe, das an die französischen Impressionisten erinnert.

Sonnenflecken flackern durchs dichte Grün. Hunderte von tropischen Papageienflügeln schlagen hektisch durch die Luft. Zarte Blüten verschwimmen im Dunst. Westlich wirkt diese Kunst. Doch Junko Wada ist angetrieben von der fernöstlichen Auffassung, mit völlig freiem Geist und absichtslos auf die Leinwand zuzugehen. Unbewusst will sie ihre Tanzbewegungen ausführen. Zumindest strebt sie immer danach. Im Video, das zur Einstimmung im Eingangsbereich in den Ausstellungsräumen vom Haus am Waldsee installiert wurde, sieht man, wie die Performerin immer wieder prüfend zurücktritt und die Zwischenstadien begutachtet. Tanzt sie dann in eruptiven Bewegungen drauflos, scheint sie die Leinwand, diese vierte Wand im Raum, jedoch zu ignorieren. Auch wenn kein Publikum dabei ist und ihre Bilder nicht in erschöpfenden Performances entstehen, geht Junko Wada so vor. Monatelang dauern die Schichtungen der Farbe. Dadurch entsteht eine große Tiefe. Teile ihrer borstigen Schraffuren scheinen hervorzutreten, Wirbel zeichnen sich ab, Horizontalen strömen dagegen. Und immer wieder bleibt ein Pinselhaar kleben. Manche Bilder tragen Titel wie Yellow Dance , die meisten jedoch sind nach dem Entstehungsort oder einem Wochentag benannt. So ist auch Tango nicht etwa die Art dieses Tanzstils, mit dem sie ans Werk gegangen ist, sondern ein Ort in der Nähe Kyotos am Japanischen Meer, wo die Künstlerin gelebt hat, bis sie vor zehn Jahren endgültig nach Berlin gezogen ist.

Von der Malerei zum Tanz ist es nicht weit. Da streckt und beugt sich der Körper, da wischt die Hand mit der Farbe in großen Bögen über die Fläche. Zeitgenössische Tänzer wiederum sprechen immer wieder davon, dass sie mit ihren Choreografien Spuren im Raum hinterlassen. Junko Wada vereint all das. Denn sie versteht ihren ganzen Körper als Pinsel.

von Anna Pataczek / Kultur – Tagesspiegel 19.08.2014

Junko Wada in der Gelben Musik

Performance-Artistin Junko Wada macht die Galerie Gelbe Musik zur Kunstfabrik

Am Nachmittag beginnt sich die Galerie zu füllen. Großes Hallo! Junko Wada, die grazile Performance-Künstlerin und für eine Woche Gastgeberin in der Galerie Gelbe Musik, begrüßt ihren alten Freund und Kollegen Akio Suzuki, den Klangkünstler. Sogleich fängt er an zu arbeiten. Er bastelt Origami-Bällchen aus fotokopierten Junko-Wada-Notaten und wirft sie ins Schaufenster.

Und schon naht der nächste Gast, Eva-Maria Schön, bekannt fiir fotografische Verfremdungen. Klangkünstler Felix Hess ist extra aus Holland angereist, um Junko zu besuchen. Immer dabei: Kameramann Ivan P. Panteleev, der alle Begegnungen und Aktionen filmt. Junko Wada ist Künstlerin. Nicht nur Malerin, nicht nur Tänzerin, nicht nur Video-Artistin. Ihre Kommunikation mit den Zuschauern oder Betrachtern läuft auf vielen Strängen parallel, und das heißt, sie selbst ist ihr Kunstwerk und ihr Medium.

In Berlin, wo sie seit vielen Jahren vor allem als Performance-Künstlerin bekannt ist, hat die ständig in der Welt herumreisende Japanerin seit nunmehr anderthalb Jahren ihren Hauptwohnsitz. Ihre Performances treiben sie — und die Zuschauer — oft an den Rand der Erschöpfung. So dauerte ihr Auftritt in der Klang-Installation „Acht Stunden” von Rolf Julius 1995 genau so lange, aber wahrgenommen wurde von denen, die ausharrten, eine totale Aufhebung von Zeit und Raum.

Ihr neuestes Projekt ist noch zeitaufwendiger, allerdings weniger verpflichtend für das Publikum: Ein „6tägiger Arbeitsprozess” in der Galerie Gelbe Musik. Junko Wada wählt die Räume und Orte fiir ihre Aktivitäten mit äußerster Sorgfalt aus. Die Galerie gelbe Musik, die ihr noch bis Sonnabend ein künstlerisches Heim bietet, ist weniger Bühne als Kontext. Sie ist seit Jahrzehnten Zentrum für interdisziplinäre Formen zwischen Musik und Bildkunst. Und interdisziplinär ist diese künstlerische Dauerparty allerdings!

In allen ihren Werken geht es Junko Wada vor allem um die Gestaltung von Wahrnehmung, ihrer eigenen und der der Besucher. In letzter Zeit ist ihr der Begriff des Spiegels sehr wichtig geworden. Tanz und Performance sind ganz momentane Kunstwerke, sie verfliegen, sobald sie zu Ende sind. Das soll diesmal anders sein: Alles wird notiert, aufgenommen und aufbewahrt.

Während aller Vorgänge um sie herum schreibt Junko Wada Tagebuch, und wer sie dabei länger beobachtet, was ja Zweck der Übung ist, bekommt den Eindruck, dass sie alles um sich herum aufsaugt und in Zeichen und Bewegung transformiert. Sie verwandelt ihre Umgebung zu einem Ort intensivierten Seins. Nach und nach werden sich die Wände mit diesen Notizen füllen. Zusammen mit Eva-Maria Schön macht Junko eine Malaktion mit aneinander gebundenen Händen. Die Galerie Gelbe Musik ist nun eine gemütliche kleine Kunstfabrik, von außen leicht zu verwechseln mit einem lustigen Kinderladen. Viele illustre Gäste werden noch erwartet, darunter Regiestar Robert Wilson, der gerade in der Stadt weilt, Sasha Waltz, Komponistin Makiko Nishikaze, Rolf Julius und viele mehr.

von Matthias R. Entress / Berliner Morgenpost 20. Juni 2001

 

Die Sonne der Modernität

(Junko Wada künstlert in der Gelben Musik in der Schaperstraße)

Kunst kommt von Können, Schönheit kommt von Schein. Vielleicht kommt Kunst auch von Müssen. Das hat zumindest Schönberg gesagt. Dieser Tage kommt Kunst von einer Zeit sommerlichen Kontemplierens. Vom Nichtstun und von der Inspiration, die daraus erwächst, daß eine Handvoll Künstler aller Sparten nachmittäglich zusammengetroffen sind und miteinander gekünstlert haben. Eine Art Erwachsenenkinderspielplatz: Das Wetter ist schön, gehen wir mal raus und sehen, wer sonst noch so da ist.

In der Gelben Musik in der Schaperstraße funktionierte das auch, als es wochenlang regnete. Die Sonne der Modernität scheint in dem auf Neue Musik spezialisierten Geschäft nämlich sozusagen permanent. Gleich links neben dem Eingang des kleinen Verkaufsraums saß nun gegen Ende Juni tagelang die japanische Tänzerin Junko Wada, die Beine auf der unteren Ablageplatte eines kleinen runden Tisches ruhen lassend, und schrieb auf, was ihr alles passierte. In japanischen Schriftzeichen, auf langen Banderolen. Vor ihr Tinte und Löschutensilien, daneben vielleicht ein bißchen Tee und Kekse. Der Raum ist licht und hell, und manchmal schien sogar die Sonne.

Und Junko Wada passierte viel. Robert Wilson kam und notierte, wer sieh alles zu Besuch angesagt hatte. Der Terminplaner wurde alsbald ins Schaufenster gehängt. Der Klangkünstler Akio Suzuki kopierte Wadas Aufzeichnungen einerseits am hauseigenen Kopiergerät, andererseits aber – wie Wada genau notierte – in einem nahe gelegenen Copyshop. Er faltete aus den Blättern Origami-Bälle und warf sie in die Auslage. Wada rief es eigens für die Besucherin in Erinnerung: die elegante Bewegung, vermittels deren die Origami-Bälle im Schaufenster landen. Der Fotograf Akinbode Akinbiyi fotografierte, Stefan Kurt machte Polaroidaufnahmen. Die Malerin Andrea Schomburg lieferte Detailpostkarten, und Zhu Jinshi bemalte einen papiernen Mantel. Und tagtäglich kam Hans Peter Kuhn und schenkte Drinks aus.

Wada schrieb alles auf. Abends wurde ins Deutsche übersetzt und ausgedruckt. Bald zierten ihre Tagebüchlereien die weiße Wand der Gelben Musik. Links hing der Mantel, rechts hingen die Fotografien, in der Ecke die langen Bambusstangen, mit denen man Tage zuvor hantiert hatte. Work und Game in progress. Wie sich der Raum für sie anfühle, fragte Wada die Besucherin. Klar und geklärt, antwortete die. Und verwunderte sich über den unendlichen Luxus, das Spiel zur Kunst, die Kunst zum Spiel zu machen.

Seit zwei Jahren lebt die in Tokio gebürtige Junko Wada in Berlin. Wadas Mienenspiel ist licht und lebendig; daß sie von Hause aus Tanzkünstlerin ist, sieht man ihr in jeder Bewegung an. Die sechstägige Performance, zu der sie im Juni in die Gelbe Musik einlud, war nicht nur eine willkommene Gelegenheit, zwei Dutzend befreundete Künstler und Künstlerinnen in einem tagtäglich neu erstehenden Salon zusammenzuführen und benachbarte Künste, zu verkosten, sondern auch, ihre eigenen Deutschkenntnisse zu verbessern. Schließlich gingen ihre Aufzeichnungen mehrmals den Weg von der japanischen in die deutsche Sprache. Manchmal so gar über das Englische. Von Anfang an hat Ivan Panteleev die Performance in dem kleinen Ladenlokal in der Schaperstraße mit einer Kamera festgehalten. In diesen Tagen nun ist in der Gelben Musik die von Wada und Kuhn aufbereitete Videoinstallation zu besichtigen.

 

von Christiane Tewinkel / Frankfurter Allgemeine Zeitung 11. Juli 2001

Review in Arts magazine Bijutsu Techo

Review in Arts magazine Bijutsu Techo

Kamakura gallery 1983

In Junko Wada’s “working process” there is none of the forcing, technical or metaphysical, that can often be found in the works of artists who stick to two dimensions. Perhaps this unforced quality is due to the process of destruction and reconstruction of color and form, the orthodox elements of art. The only vehicle for the coexistence of destruction and reconstruction is the bodily freedom of the artist. Certainly the whole process of her work enables the viewer to form neither a subjective nor an objective position, but gradually it absorbs the viewer entirely.

The ‘struggle with mimesis,’ which has been an artistic problem since Cezanne, has become an even more serious issue for tableau artists. Currently when there is no subject for mimesis, it is not easy to convey the deep spontaneity in one’s work to a third person. Junko Wada, however, has accomplished this while retaining a mild asceticism. Although it may seem obvious, one should be reminded of the infinite possibilities of tableau work by viewing the working process of Junko Wada.

Bijutsu Techo, October 1983

In der “Prozessarbeit” von Junko Wada gibt es kein Zwingen, weder technisch noch metaphysisch, wie man es sonst oft bei Künstlern findet, die zweidimensional arbeiten. Vielleicht ist diese Freiheit von Zwingendem eine Qualität, die aus dem Prozess von Zerstörung und Wiederherstellung von ursprünglichsten künstlerischen Elementen Form und Farbe erwächst. Die einzige Methode Zerstörung und Wiederherstellung zusammen zu bringen liegt in der körperlichen Freiheit der Künstlerin. Sicher ist, dass der ganze Prozess dem Betrachter nicht gestattet weder einen objektiven noch einen subjektiven Standpunkt einzunehmen, er absorbiert den Betrachter als Ganzes.

Der ‚Kampf mit der Mimesis’, der seit Cezanne ein künstlerisches Problem ist, ist für die Tafelmalerei ein noch ernsteres Thema. Gegenwärtig ist es nicht einfach, bei der Abwesenheit eines Subjekts für die Mimesis, tiefe Spontaneität Dritter im eigenen Werk zu erwirken. Junko Wada jedoch gelingt dies durch eine milde Form der Askese. Auch wenn es offensichtlich erscheint wenn man Junko Wadas Arbeitsprozess betrachtet, sei man an die unendlichen Möglichkeiten der Tafelmalerei erinnert.

 

和田淳子の作業には、まずもって平面に拘泥する作家の作品にしばしばありがちな「作業プロセス」が内包する技法的.精神的世界の強制がない。たぶんそれは、形態や色彩といった正統的エレメントを破壊させつつ回復させようとする試みであるからであろう。破壊ー回復を同在させる唯一の条件といえば、作家の開放された身体以外になかろう。確かにこの作業の全体は観る側の主体ー客体を拒み、いつしか観る者の身体をも零度に回収していくようである。

セザンヌ以後の「ミメーシスとの葛藤」は、タブロー作家にとってますます重要な課題として内包せざるを得ぬものである。言い換えれば「対象なきミメーシス」というべき現在にあって、第三者の眼差しに常に投げ返すようなモメントを埋め込むことは容易ではないのであるが、和田は軽々とした禁欲さを保ちつつそれを克服しているといえる。自明の事柄とはいえタブローによる

無限の可能性を改めて想い起こさせた作業であった。

高島直之(美術ジャーナリスト)美術手帖 点評 1983 October
Naoyuki Takashima

 

Out of Actions

Out of Actions

Uns allen ist Junko Wada in erster Linie als Tänzerin vertraut und so mag die Tatsache, dass Sie aus gleichem Recht Malerin ist, erst einmal erstaunen. Aber Junko Wada hat in den 1970er Jahren in Tokyo eben beides studiert, die Malerei an der Musashino University of Art und den Tanz am Akira Kasai Dance Institute .

Diesen beiden Formen der künstlerischen Produktion ist sie ein Leben lang nachgegangen, wenn auch mit wechselnder Intensität.Ersten Ausstellungen in Tokyo folgten dann Tanz-Performances mit Akio Suzuki, Rolf Julius und später Hans Peter Kuhn. So unterschiedlich die Tanzperformances, die vielfach auf Video aufgezeichnet wurden und die „bemalten Leinwände“ auf den ersten Blick auch sein mögen, so geht es doch immer um die Kategorien von Raum, Zeit, Bewegung und Farbe.

Junko Wadas Tanzbewegungen im Raum definieren denselben in jeder Minute anders und neu. Sie geben jedoch nicht nur dem Raum eine neue und unerwartete Qualität. Sie machen auch den eigenen Körper neu und anders erlebbar und dies gilt für beide, die Künstlerin und ihr Publikum in gleicher Weise. Die überraschenden Formen der Körperbewegungen provozieren neue Erfahrungen und damit einhergehend gänzlich neue Assoziationsmöglichkeiten. Sie reichen von manieristisch beschleunigten Körperverdrehungen bis zu skulpturaler Emblematik des Körpers und zwar in natürlicher aber eben auch in artifizieller Weise.

„Mein Tanz, so Junko Wada in einem Interview des Jahres 2002 entstand ursprünglich aus meiner Malerei“. Ähnlich schrieb auch Volker Straebel „Der Tanz erschien Wada als Öffnung ihrer Kunst zum dreidimensionalen Raum“.

Alle, die Junko Wadas Tanzperformances gesehen haben, werden sich der einmaligen Bewegungen erinnern, die durch die meist monochromen, von der Künstlerin selbst entworfenen Gewänder, den Raum durchfuhren. Zu enormer Expressivität gesteigert gebärdeten sich die glühend roten, gelben, weißen oder blauen Bahnen an ganz unterschiedlichen Orten mit dem einzigen Ziel der Repräsentation von Schönheit und Kunstfertigkeit, die auf jegliche Narration verzichtet.

Um Narration geht es Junko Wada auch in ihren Bildern nicht. Vielmehr geht es um Intensivierung der Farbe, des Raumes und — hier sei noch einmal die Künstlerin selbst zitiert „um den Prozeß, den Moment, wenn die Dinge sich verändern und verschieben, wenn die ausgestreute Saat zu blühen beginnt“.

Mit borstigen Pinseln , die mit einer Farbe gefüllt sind, bewegt sich Junko Wada tänzerisch auf die Leinwand zu und setzt äußerst schnell und energisch ihre Marken. Schicht um Schicht entsteht so eine Raumgewebe, in dem jede einzelne Malaktion sichtbar bleibt bis hinzu der Pinselstruktur. Das Farbgeflecht ist sozusagen ständig vibrierend und eröffnet ganz unterschiedliche Raum- und Energie- Konstellationen, die je nach Entfernung des Betrachters anders wahrgenommen werden. Sie lassen die Bilder aus der Ferne gesehen, wie atmende Wesen erscheinen, die ihren Rahmen zu sprengen scheinen und sich nur mit Mühe an die vorgegebene Fläche halten. Aus der Nähe betrachtet bestechen sie durch die Präsenz der Farbe und werden zu einem Protokoll der jeweiligen Malaktionen.

Junko Wada hat diese Ausstellung „private Landschaften“ genannt. Und tatsächlich stellen sich während des Betrachtens der Bilder Assoziationen z. B. der farbigen Konstellationen von Jahreszeiten ein. Gelb leuchtendes Herbstlaub, grüne satte Sommerwiesen, blaue Nächte, aber auch an schimmernde Teiche oder summende Blumenwiesen ließe sich denken. Vor allem zeigt sich in den Bildern eine enorme Ausdruckskraft der Farbe, wie sie im frühen 20ten Jahrhundert, z.B. dem Expressionismus, entdeckt wurde. „ Am farbigen Abglanz, so heißt es in Goethes Faust, haben wir das Leben.

In ihrer Malerei läßt sich Junko Wada einer seit den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts entstandenen globalen Bewegung zuordnen. Diese wurde 1998 in einer Ausstellung unter dem Titel „Out of Actions“ in all ihren Facetten vorgestellt. Sie vermittelt keinen verbindlichen Stilbegriff, sondern macht deutlich, dass nach dem 2. Weltkrieg an ganz unterschiedlichen Orten dieser Welt eine Malerei und eine Skulptur entstand, die das Ergebnis künstlerischer Aktionen war.

Hier sei beispielhaft an Jackson Pollock in New York, Georges Mathieu in Paris und an die Gutai Gruppe in Tokyo erinnert. Aber auch an Yves Klein, der mit lebenden Pinseln, in blaue Farbe getauchte weiblichen Körpern, performative Bilder in einem einzigartigen Ritual entstehen ließ.

Auch Junko Wada spricht in dem oben erwähnten Interview davon, dass sie ihren Körper als Pinsel verstand, mit dem sie als Tänzerin ihre Bilder im Raum malte. Um dann, und das wäre hinzu zu fügen, mit dem Körper, der seine „Verlängerung“ in den Pinseln findet, ihre Malerei nunmehr auf Leinwänden platziert.

© Angela Schneider 2014

 

Who’s Afraid of Anything

Who’s Afraid of Anything

1996 Who's Afraid 3pict
… I always wonder what writing sounds like as music, or looks like as dance; and I’d been watching Junko Wada for awhile before thinking there was something familiar about her movement, not something I’d seen before, or understood, but something I recognized faintly, or more likely imagined; then it came: she’s writing; it was like watching words come-about, pause, float briefly, and join-up like beads; … her body a type of stylus,… inscribing her dance into me, lightly; the engraving did not occur by harsh cuts, rather by repetitious and concentrated (condensed) strokes; the performance wasn’t about grand vistas, it was some other spatial knowledge…

…ich frage mich immer, wie Schreiben sich als Musik anhört, oder wie es als Tanz aussieht; und ich habe Junko Wada für eine lange Weile angeschaut bevor ich das Gefühl hatte, dass da etwas Bekanntes in ihrer Bewegung war, nicht etwas was ich schon mal gesehen hätte, oder verstand, aber etwas das ich entfernt erkannte oder eher von dem ich eine Vorstellung hatte; und da war es: sie schreibt; es war als würde man zuschauen, wie Worte entstehen, einhalten, kurz treiben, und wie Perlen aufgereiht werden; … ihr Körper eine Art Griffel … der den Tanz in mich eingraviert, sanft; keine harte schneidende Gravur, eher wiederholte, konzentrierte (kondensierte) Striche; es ging nicht um die großen Ansichten, es ging um eine andere Form der räumlichen Erfahrung…

Linda Marie Walker, Real Time Adelaide Festival, March 1998

… Junko Wada performs three pieces based on three states (jo – introduction; ha which breaks the lines; and kyu which leads to the final statement) wearing three colors (red, yellow, blue) … The movements appear to spring from a place of deep memory. In her performance we find something of ourselves that we thought lost. … Her face conveys no emotion, just concentration and ultimately a kind of bliss …. . At the end … in a small arrangement of muscles for one who has come so far, Junko Wada’s face finds its conscious composure. I don’t think I will ever lose its imprint.

…Junko Wada tanzt drei Stücke die auf drei Zuständen zurückgreifen (jo – Einführung, ha der Bruch, kyu die Auflösung) mit den Kostümen in drei Farben (rot, gelb, blau) … Die Bewegungen scheinen aus einem Ort tiefster Erinnerung hervorzuspringen. In ihrer Performance finden wir etwas von uns selbst, das wir längst verloren wähnten. … Ihr Gesicht zeigt keine Emotionen, nur Konzentration und schließlich eine Art Glückseligkeit. Am Ende … in einer kleinen Neuordnung der Muskel, für eine die so weit gekommen ist, findet Junko Wadas Gesicht seine selbstbewusste Gelassenheit. Diesen Ausdruck werde ich wohl nie vergessen.

Virgjnia Baxter, Real Time Adelaid Festival, March 1998

Tanz auf dem Spiegelteich

Tanz auf dem Spiegelteich

Dances40Ein lichtblauer Seidenmantel umweht ihre äußerst zierliche Gestalt und lässt bisweilen ein rote Kleid hervorlugen. Weltentrückt und windgezaust schlurft sie die beschuhten Füße im Wasser, mit zielstrebiger Langsamkeit vorwärts. … Der Körper renkt und dreht sich, beult aus, springt und wühlt das Wasser auf. Klavierakkorde begleiten die das Universum antanzende Kreatur in der Einsamkeit und Versunkenheit ihres Glücks. … Verloren und doch nicht arm steht sie über den Wassern. Als aller universale Jubel verbraucht ist, tritt sie ganz ohne Hast den Rückmarsch an. … mit ihrer naturbezogenen und suggestiven Meditation [beendet sie] die Reihe „Heimat Kunst“ … und bewies gleichsam, dass Kunst allerorten ihre Heimat haben kann – ja einfach grenzenlos ist.

A pale blue silk coat swirls around this most delicate of figures, now and then allowing a glimpse of a red dress beneath. Wind-blown and lost in reverie, she moves her feet in the water, shoes sloshing slowly and deliberately forward…. Her body stretches and turns, jumps and churns up the water. Piano chords accompany this creature, dancing against the universe, solitary and absorbed in her bliss… Lost, yet not poor, she stands above the waters. The universal jubilation having peaked, she starts back with no haste whatsoever … with this suggestive meditation in nature [she concludes] the series of events called “Heimat Kunst” … showing that art’s homeland is everywhere — it simply has no bounds.
Berliner Morgenpost 1. Juli 2000

Choreography

Choreography

I never attempt to write down a Choreographic score to be realized in my dance. I have always tried to thrust myself into a state which far transcends such formality. My object is to trace back my evolution – back to when I was an amoeba-like single celI – in a state of intensified consciousness. I believe that the key to unlock the constraining doors of consciousness lies in committing myself to the flow of natural energies which surrounds us and feel my body becomes as intangible as the molecules of which it is composed, so that I can finally allow myself to expect the unexpected.

Living in a small secluded space set in the midst of nature, my days are now spent in contemplation and in trying to open new doors of sensitivity.

Ich habe nie versucht eine Choreographie fest zu legen, die dann in meinem Tanz realisiert würde. Ich habe immer versucht mich von dieser Formalität fern zu halten. Mein Ziel ist, mich in der Evolution zurück zu verfolgen- zurück zu dem Zeitpunkt, wo ich so etwas wie eine amöbengleiche, einzelne Zelle war- in einem Zustand intensivierten Bewusstseins. Ich glaube, der Schlüssel zum Öffnen des Tors zum Bewusstsein liegt darin, dass ich mich selbst dem Fluss der natürlichen Energie, die uns alle umgibt, ergebe und meinen Körper als so unbegreifbar empfinde wie die Moleküle, aus denen er zusammengesetzt ist, so dass ich mir schließlich erlauben kann, das Unerwartete zu erwarten. Jetzt, da ich in einem kleinen isolierten Ort inmitten der Natur lebe, verbringe ich meine Zeit mit Kontemplation und mit dem Versuch, neue Türen der Sensibilität zu öffnen.

Junko Wada, 1990

My Dance Work

My Dance Work

In my dance is neither a story nor meaning.

I feel myself strongly influenced by something immanent and intangible, something which is drifting on the air. And I am driven by the energy of the surrounding audience.

Furthermore, I am interested in transforming the space. Perhaps only for myself with the changing view point as I move through it. However, when I had finished a four-day performance in Berlin recently, the director said to me „I felt the space was enchanted“. I had that feeling too, so it was not just my changibg perspective.

So, my dance work is to try and read every passing moment and to concentrate on the situation so that I can bring life into the space.

Junko Wada, 1994

Process Vol 2 Reflection

Process Vol 2 Reflection

When I think about my work in retrospect. it seems to me that the opportunity for it to happen is connected to my incapacities The proposed performance series is based on this idea.
I live in Berlin for two years now but my German is still not good enough to be able to communicate with the people here. And not only that I also found that I do not adapt myself to the new surrounding. I thought I knew Berlin already quite well because I was inBerlin very often in the past 18 years and I have many nice friends here. But I realized that I did not know Berlin very well before I started to live here. This was a big shock for me. The reason for my performance project at Gelbe Musik last year was honestly a remedy for myself. I made it a temporary workspace for me. The Gelbe Musik is a small record shop and gallery and I sat there in one corner, grinding an ink-cake and writing a diary with a traditional Japanese brush. This writing is connected to my breathing in a similar way as a dance performance is. So this simple work became a dance piece. As my dance came out of the movement of painting, now my dance mutates into writing. The duration of the performances were 8 hours each day for one week (6 days). I invited approximately 30 artists to visit me while I was writing and I developed small performances with each of them. Some of these performances became sort of a game between the other artist and me. During this period videos were taken of everything that was going on. Later I showed these videos in a 6-channel video installation together with my handwritten diary inJapanese and its German translation, as well as the works that were created by the other artists and photos of all of these processes. Already at that time I started to develop the idea for the new performance series, I became crazy with this activity.
The performance last year happened only at one site Gelbe Musik. For the new project I am thinking of several spots or points/dots and to connect these points by lines. The elements points/dots and lines are the basic for the composition of the choreography . Some of these points will be public places including such sites as subways or subway stops. Here were everything around me is moving my performance will be very minimal and quiet. Other sites will be private or public arts places museums or galleries. The performance series shall happen over a period of about a year. This allows flexibility against the other artists schedule but mostly allows me to create and perceive the process of the work, which will have a different character at the different times. I want put the emphasis on the process itself and therefore allow as many unexpected things as possible. This allows the other artists conceptual freedom and gives the opportunity of spontaneous participation as well.
My main collaborators will be the two photographers who photographically document the process, second come the different video artists who will participate in documentary and artistic ways. Besides these main collaborators I will frequently work with performers and sound installation artists. The other artists will only participate for short periods and generally only once during the whole year. For the documentary work the catching of the process is most important for me. The moment when things are changing and blossoming, when from the out put buds slowly plants are growing.
The most impressing thing with the last project was, that most of the events grew larger then I had expected them. Although each of them were rather small performances they unfolded in the collaboration. I felt merely as a mirror since they all developed their own little life, although started out of my request they seemed to happen as a necessity. It was a great surprise for me, to realize that just the smallest seed triggered a real size bouquet of flowers. I guess I am getting addicted for this true charme.
After my studies as a painter at an arts university in Tokyo I first worked on large format paintings on canvas while at the same time I developed interest in using the movement of my own body. My work became dance-like because I drew with my body as a brush in space. And thus the space became the canvas. I started collaborating with sound artists, specifically Akio Suzuki, Rolf Julius and Hans Peter Kuhn and developed my own style of performance. In 1991 I started together with Akio Suzuki and others the project Process Vol.1 Tango which was about creating studio and performance space in the middle of nature. This process lasted for almost 3 years in which I learned a lot in contact with nature and the native people. As a result of the process we organized 3 international festivals to perform with guests from Japan, Europe and the United States who we invited to the Japanese countryside.
My new project here in Berlin is for me a reflection of my experiences in Tango that seem to come back to me like a boomerang. Tango is a small town area north of Kyoto at the Japan Sea. There was always a strong cultural exchange between the continent and the Japanese island in the ancient times. I often felt that the spirit of this region had strong influence on me. Berlin had for a long time the character of an island and it were artists that played an important role for the exchange between Berlin and other places. Because of this history still the most interesting artists from all over the world are still gathering in this city. I fell fascinated to connect to them and to work with them in such city, that as before has a strong energy. My dream is big but I hope my project will be light and joyful.

Process Vol.2 Reflection <Punkt und Linie Berlin>

Wenn ich meine Arbeit im Rückblick betrachte, scheint mir die Wahrscheinlichkeit für ihrEntstehen an meine Unzulänglichkeiten gekoppelt. Dies trifft auch für die hier vorgeschlagene Performancereihe zu.
Ich lebe nunmehr seit zwei Jahren in Berlin, mein deutsch ist aber immer noch nicht gut genug, um mit den Menschen hier richtig zu kommunizieren. Aber nicht genug damit, ich habe auch den Eindruck, das ich mich selbst noch nicht richtig in die Gesellschaft hier eingelebt habe. Ich dachte, ich kannte Berlin schon ziemlich gut bevor ich hierher zog, weil ich in den letzten 18 Jahren sehr häufig hier gewesen bin und weil ich auch viele guteFreunde hier habe. Aber ich habe feststellen müssen, dass dies doch nicht der Fall war.Das hat mich ziemlich getroffen. Der Grund für meine Performance in der Galerie „Gelbe Musik im vergangenen Jahr sollte deshalb ganz offen gesagt auch eine Art Hilfestellung für mich sein, mich mit Berlin, Deutschland und besonders mit der deutschen Sprache, vertrauter zu werden . Ich schuf einen vorübergehenden Arbeitsplatz für mich in den Räumen der Ladengalerie „Gelbe Musik. Ich saß in einer Ecke des Ladens, habe Tinte von einem japanischen Tintenblock gemahlen und ein Tagebuch in traditionell japanischer Schreibweise mit dem Kalligraphiepinsel geschrieben. Die Bewegung beimSchreiben war für mich vergleichbar mit den Bewegungen bei einer Tanzperformance:der Strich des Pinsels und die Atembewegungen gingen miteinander einher. Auf dieseWeise wurde der Akt des Schreibens zu einem stilisierten Tanz. Mein Tanz entstand ursprünglich aus meiner Malerei und nun verwandelte er sich in mein Schreiben.
Die Dauer dieser Performances war 8 Stunden täglich für 6 Tage. Während dieser Zeitlud ich etwa 30 andere Künstler ein, mich zu besuchen und wir entwickelten gemeinsam kleine oftmals auch spontane Performances, die sich inhaltlich fast ausschließlich mit der deutschen Sprache befassten. Zusammen mit einigen der Mitwirkenden haben wir meinTagebuch dabei ins Deutsche übertragen. Während all dieser Aktivitäten wurden Videos gemacht, die ich zu einem späteren Zeitpunkt als 6-kanalige Videoinstallation am selben Ort zusammen mit dem kompletten Tagebuch in japanisch und in deutscher Übersetzung, den in Zusammenarbeit mit den anderen Künstlern entstandenen Kunstwerken und mit den Photos, die während der Arbeitswoche entstanden waren, zeigte. Bereits zu diesem Zeitpunkt begann ich das Konzept für die neue Arbeit zu entwickeln, ich wurde süchtig nach diesen Aktivitäten.
Auch das neue Projekt sieht diesen Zirkel von Ereignis der Sprachperformance, die inTagebuchform dokumentiert wird, Übersetzung des Textes ins Deutsche und als Handlung damit auch gleich wieder Inhalt des Tagebuchs werdend, vor. Tagebuchtext undPerformance bedingen sich gegenseitig, Übersetzung und Tagebuch, aber auch Performance als Übersetzung sind miteinander direkt verknüpft. Dokumentation und Werk entstehen gleichzeitig, Video und Foto erlauben dabei noch zusätzlich die bleibende Dokumentation.

Die letztjährige Performance fand nur an einem Ort Gelbe Musik statt. Das neue Projekt, dass sich inhaltlich anschließt, soll an verschiedenen Orten, die ich Punkte nennen will, stattfinden. Diese Punkte sind verbunden durch Linien der Bewegung, z.B. der U-Bahn. Einige der Performanceorte sind öffentliche Räume andere sind privat oder öffentliche Kunsträume – Museen und Galerien. Die Performanceserie soll sich über ein ganzes Jahr erstrecken. Dies erlaubt nicht nur die notwendige Flexibilität in Bezug auf dieTerminkalender der anderen Künstler sondern vor allem gestattet es mir auch, den eigentlichen Prozess der Arbeit intensiv zu erleben. Da dieser Prozess der Schwerpunkt der Arbeit sein wird, möchte ich so viel Unvorhersehbares wie möglich zulassen, wenn nicht gar provozieren. Diese Offenheit gestattet den mitwirkenden Künstlern die größtmögliche Freiheit und lässt auch völlig spontane Beteiligungen jederzeit zu.

Meine beiden wichtigsten Arbeitspartner werden dabei die Photographen Akinbode Akinbiyi und Gerhard Kassner sein, die den gesamten Prozess dokumentarisch und künstlerisch begleiten. An nächster Stelle kommen die verschiedenen Videokünstler, die ebenfalls dokumentarisch und künstlerisch tätig sein werden, gefolgt von den Performern,Musikern und Installationskünstlern, die wiederholt dabei sein werden. Einige werden nur einmal oder nur kurz dabei sein.

Was die Dokumentation angeht, so interessiert mich vorrangig das Festhalten des Prozesses, der Moment, wenn die Dinge sich verändern und verschieben, wenn die ausgestreute Saat zu blühen beginnt.

Bei dem letzten Projekt war es Eindrucksvoll zu sehen, wie die Ereignisse von sich aus viel größer wurden, als ich sie vorausgesehen hatte. Obwohl alle Performances relativkleine Vorgänge waren, wuchsen sie in der Zusammenarbeit heran. Ich fühlte mich selbst eher wie ein Spiegel für die Ereignisse als deren Motor, da sie obschon von mir initiiert eine eigene Notwendigkeit zu haben schienen. Es war für mich sehr überraschend, das selbst die kleinste Saat sich zu einem großen Blumenstrauß entwickelte. Ich habe dasGefühl das ich süchtig werde, nach dieser Art echtem Charme.

Nachdem ich meine Studien an einer Kunsthochschule in Tokyo beendet hatte, habe ich zunächst an großformatigen Ölbildern gearbeitet und dabei aber gleichzeitig ein Interesse an der Bewegung meines Körpers entwickelt. Meine Arbeit bewegte sich in RichtungTanz, ich begann meinen Körper als Pinsel zu verstehen, mit dem ich statt auf der Leinwand im Raum meine Bilder malte. Ich begann mit Klangkünstlern zu arbeiten, insbesondere mit Akio Suzuki, Rolf Julius und Hans Peter Kuhn, und entwickelte in diesem Zusammenhang meine eigene Form der Bewegungsperformance. 1991 habe ich zusammen mit Akio Suzuki und anderen das Projekt „Process Vol.1 Tango begonnen, beidem es um die Schaffung von Arbeits- und Performanceräumen inmitten einer natürlichen Umgebung ging. Dieser Prozess ging über 3 Jahre und ich lernte in dieser Zeitviel im Umgang mit der Natur und den Bewohnern der ländlichen Gegend. Als Ergebnis dieses Prozesses organisierten wir insgesamt 3 internationale Festivals um mit Gästen aus USA, Europa und Japan gemeinsame Performances auf dem Lande, weitab der großen Städte, zu veranstalten.

Mein neues Projekt hier in Berlin scheint mir wie die Reflexion auf die Geschehnisse dort in Japan, die wie ein Bumerang zu mir zurück zu kommen scheinen. Tango ist eine dörfliche Gegend nördlich von Kyoto an der japanischen See. Es gab schon immer einen intensiven kulturellen Austausch zwischen dem Festland und den japanischen Inseln. DieGegend um Tango hatte einen starken Einfluss auf mich gehabt.Berlin hatte für lange Zeit auch den Status einer Insel und es waren nicht zuletzt dieKünstler, die eine wichtige Rolle spielten beim Austausch mit anderen Regionen. Aus diesem Grunde sind auch immer noch die interessantesten internationalen Künstler hier versammelt. Ich bin fasziniert von dem Gedanken mit ihnen zusammen in einer Stadt so starker Ausstrahlung zu arbeiten. Mein Traum ist groß, ich hoffe, dass mein Projekt leicht und freudevoll wird.

Junko Wada, 2003

 

Junko Wada is an artist rather than a dancer

Junko Wada is an artist rather than a dancer

Junko Wada is an artist rather than a dancer. Calling her the latter places her work in a system of reference inappropriate to it.

Der Tanz Junko Wadas ist abstrakt insofern, dass er nicht abbildet, nicht narrativ ist, und er ist konkret insofern, dass er ganz er selbst ist und nichts außerhalb seiner selbst bedeutet. Seine Beschreibung unterliegt dem gleichen Dilemma wie die der Modernen Kunst, die mit „abstrakt“ die Entfernung vom Gegenständlichen, mit „konkret“ die Hinwendung zur reinen Gestalt betont.

Dass der Tanz Tanz sei, ist ebenso nicht Beschreibung, sondern interpretierende Behauptung. Sie verweist die Bewegung Junko Wadas in das formale Bezugssystem einer Kunst. Dort gerinnt jeder Gegenstand, jedes Ereignis zum Zeichen, das selbst in vorgeblich rein selbstreferenziellen Werken eine Beziehung zu Tradition oder Geschichte der jeweiligen Kunstform etabliert.

sum quod sum – I am that I am

Die Begriffe setzen ihre Gegenstände gefangen. Die Sprache lässt die Welt verschwinden, von der sie spricht.

Wada‘s movements are just what they are: a Japanese woman’s delicate movements in space. There is neither meaning nor expression. The movements don’t tell. They don’t reveal. They are just the movements they are.

If they were dance, they lost their innocence. They would necessarily become part of the sprachspiel, tradition, and part of the established procedures and meanings of an art form.

Eine These: Mit ihren Bewegungen schafft Junko Wada den Raum, mit ihrer Präsenz den Ort.

Eine Bewegung kann sich auf den Körper beziehen, der sie hervorbringt, oder auf den Raum, der diesen umgibt. Die Szene in „Chidori III“, in der Wada eine lange schmale Spielfläche sehr langsam Schritt vor Schritt abschreitet, vermittelt zwischen beiden Positionen. Der Konzentration auf die Ausführung der äußerst langsam wiederholten Bewegung steht die Erfahrung des Weges gegenüber, der einen langgestreckten Quader im Raum zu konstituieren scheint.

By moving her hands and fingers, and wide outreaching arms, Wada defines a space around her. The space is not a medium or dimension any more, in which a movement takes place, but a geometric shape, like a cube or a cylinder. Movements are shaping space. They are carving space in time.

Viele Tanz-Performances von Junko Wada finden außerhalb klar begrenzter Bühnenräume statt – in der Natur oder auf Straßen oder Plätzen. Hier erzeugt Wada mit ihrer Präsenz, ihrer Gegenwart und Konzentration, den Ort als Raum („Site“) ästhetischer Erfahrung. Denn mit ihren Aufführungen im Außenraum öffnet sie die Choreographie für die Zufälligkeiten der Umgebung, die nicht unbedingt mit dem Tanz verschmelzen, aber doch durch dessen Gegenwart in die ästhetische Erfahrung integriert werden. So wird aus der Umwelt ein Ort.

In March 2001, I made a trip to the north sea. I sent Junko a postcard: “Standing at the beach and observing the sounds of cold and rainy winds, I’m wondering what’s more important to shape my perception of the space here: the vast, more or less constant landscape, or the ever changing elements in it, the visual and acoustic details. In other words: who creates the space – the dancer or the stage?”

Junko wrote in her reply: “Maybe you didn’t know I was a painter; and I still feel I am a visual artists, but use my own body as my material.”

Die großformatigen Leinwände, die Junko Wada am Beginn ihrer Kariere malte, zeugen mit ihren gestischen Strichen auf flächigem Grund von den Bewegungen des Pinsels – oder von den Bewegungen der Künstlerin, die den Pinsel führt. Der Tanz erschien Wada als Öffnung ihrer Kunst zum dreidimensionalen Raum.

It is no surprise, that Wada designs her dance costumes herself. She chooses either bright simple colors, which sometimes change (by removing a jacket, i.e.) at structurally important moments in her performance, or classical Japanese cloths. The Japanese dress, together with certain dance movements, are among the few references Wada makes to her brief training in nô-theater.

„Reiz ist Schönheit in Bewegung, und eben darum dem Maler weniger bequem als dem Dichter. Der Maler kann die Bewegungen nur erraten lassen, in der Tat aber sind seine Figuren ohne Bewegung. […] Aber in der Poesie bleibt [der Reiz], was er ist; ein transitorisch Schönes, das wir wiederholt zu sehen wünschen.“

Was Lessing in seiner Schrift „Laokoon oder: Über die Grenzen der Malerei und Poesie“ über die Dichtung sagt, gilt noch stärker für die Zeitkunst Tanz. In ihr ereignet sich das transitorisch Schöne, dem das (verschwenderische) Vergehen stets eingeschrieben ist:

„Dem Auge bleiben die betrachteten Teile [eines Bildes] ständig gegenwärtig; es kann sie abermals und abermals überlaufen: für das Ohr hingegen sind die vernommenen Teile verloren, wann sie nicht im Gedächtnis zurückbleiben.“

Im Tanz nährt das Gesehene des Bildes dem Gehörten der Musik sich an. Die Malerin, die zur Tänzerin wurde, entflieht in der Bewegung der statischen Materialität der Leinwand.

Junko Wada is a collaborative artist. As a dancer, she has worked with distinguished sound artists like Akio Suzuki, Rolf Julius, or Hans Peter Kuhn, as a performance artist, she has collaborated with countless musicians, visual artists, and writers. Making things happen, setting up festivals or performance serieses, in rural Japanese Tango as well in Berlin, Germany, became an important part of her work.

Opening herself to another artist’s work might be similar to accepting the unforeseen of open air environments in her performances. Wada’s public diary writing seems to emphasize this openness. There, she puts down in writing what she is experiencing at the moment or where ever her thoughts might lead her to. The artists is less a source of expression than a faithful, observing witness. The usual direction of communication in art becomes turned around.

In ihren Tagebuch-Performances verbindet Junko Wada das Flüchtige der Bewegung mit dem Bewahrenden von Malerei und Schrift. Das öffentliche, viele Stunden andauernde Schreiben von japanischer Kalligraphie stellt das Schreiben selbst aus – das Tagebuch ist später sowohl Text als auch Dokument des Schreibens.

An diesem Schnittpunkt von Kunst und Dokument stehen auch die jüngeren mehrkanaligen Video-Installationen mit Aufnahmen von Wadas Performances. Sie überführen das Nacheinander der Ereignisse einer Performance-Reihe in die Gleichzeitigkeit derer konzeptioneller Anlage. Zugleich entreißen sie die Aktionen der Vergänglichkeit. Das Vergangene gerinnt zur Idee:

„Wenn ich ihn denke, gefällt mir der Tanz, wenn ich ihn sehe, langweilt er mich gewöhnlich. Man hat nicht die Zeit, die Modulationen des Körpers eingehend zu studieren.“ (Paul Valéry)

The aspect of documentation, inherent both in Wada’s diary writing and her multi-channel video installations, joins movement and visual art again, this time in a more conceptual way. The document talks about the idea, not of the of actual activity which took place in the past. Just like Wada’s early canvases talked of the movements behind the brush strokes. The things remain the things that they are – they don’t tell. They don’t reveal.

Volker Straebel 03.2004