Junko Wada is an artist rather than a dancer
Junko Wada is an artist rather than a dancer. Calling her the latter places her work in a system of reference inappropriate to it.
Der Tanz Junko Wadas ist abstrakt insofern, dass er nicht abbildet, nicht narrativ ist, und er ist konkret insofern, dass er ganz er selbst ist und nichts außerhalb seiner selbst bedeutet. Seine Beschreibung unterliegt dem gleichen Dilemma wie die der Modernen Kunst, die mit „abstrakt“ die Entfernung vom Gegenständlichen, mit „konkret“ die Hinwendung zur reinen Gestalt betont.
Dass der Tanz Tanz sei, ist ebenso nicht Beschreibung, sondern interpretierende Behauptung. Sie verweist die Bewegung Junko Wadas in das formale Bezugssystem einer Kunst. Dort gerinnt jeder Gegenstand, jedes Ereignis zum Zeichen, das selbst in vorgeblich rein selbstreferenziellen Werken eine Beziehung zu Tradition oder Geschichte der jeweiligen Kunstform etabliert.
sum quod sum – I am that I am
Die Begriffe setzen ihre Gegenstände gefangen. Die Sprache lässt die Welt verschwinden, von der sie spricht.
Wada‘s movements are just what they are: a Japanese woman’s delicate movements in space. There is neither meaning nor expression. The movements don’t tell. They don’t reveal. They are just the movements they are.
If they were dance, they lost their innocence. They would necessarily become part of the sprachspiel, tradition, and part of the established procedures and meanings of an art form.
Eine These: Mit ihren Bewegungen schafft Junko Wada den Raum, mit ihrer Präsenz den Ort.
Eine Bewegung kann sich auf den Körper beziehen, der sie hervorbringt, oder auf den Raum, der diesen umgibt. Die Szene in „Chidori III“, in der Wada eine lange schmale Spielfläche sehr langsam Schritt vor Schritt abschreitet, vermittelt zwischen beiden Positionen. Der Konzentration auf die Ausführung der äußerst langsam wiederholten Bewegung steht die Erfahrung des Weges gegenüber, der einen langgestreckten Quader im Raum zu konstituieren scheint.
By moving her hands and fingers, and wide outreaching arms, Wada defines a space around her. The space is not a medium or dimension any more, in which a movement takes place, but a geometric shape, like a cube or a cylinder. Movements are shaping space. They are carving space in time.
Viele Tanz-Performances von Junko Wada finden außerhalb klar begrenzter Bühnenräume statt – in der Natur oder auf Straßen oder Plätzen. Hier erzeugt Wada mit ihrer Präsenz, ihrer Gegenwart und Konzentration, den Ort als Raum („Site“) ästhetischer Erfahrung. Denn mit ihren Aufführungen im Außenraum öffnet sie die Choreographie für die Zufälligkeiten der Umgebung, die nicht unbedingt mit dem Tanz verschmelzen, aber doch durch dessen Gegenwart in die ästhetische Erfahrung integriert werden. So wird aus der Umwelt ein Ort.
In March 2001, I made a trip to the north sea. I sent Junko a postcard: “Standing at the beach and observing the sounds of cold and rainy winds, I’m wondering what’s more important to shape my perception of the space here: the vast, more or less constant landscape, or the ever changing elements in it, the visual and acoustic details. In other words: who creates the space – the dancer or the stage?”
Junko wrote in her reply: “Maybe you didn’t know I was a painter; and I still feel I am a visual artists, but use my own body as my material.”
Die großformatigen Leinwände, die Junko Wada am Beginn ihrer Kariere malte, zeugen mit ihren gestischen Strichen auf flächigem Grund von den Bewegungen des Pinsels – oder von den Bewegungen der Künstlerin, die den Pinsel führt. Der Tanz erschien Wada als Öffnung ihrer Kunst zum dreidimensionalen Raum.
It is no surprise, that Wada designs her dance costumes herself. She chooses either bright simple colors, which sometimes change (by removing a jacket, i.e.) at structurally important moments in her performance, or classical Japanese cloths. The Japanese dress, together with certain dance movements, are among the few references Wada makes to her brief training in nô-theater.
„Reiz ist Schönheit in Bewegung, und eben darum dem Maler weniger bequem als dem Dichter. Der Maler kann die Bewegungen nur erraten lassen, in der Tat aber sind seine Figuren ohne Bewegung. […] Aber in der Poesie bleibt [der Reiz], was er ist; ein transitorisch Schönes, das wir wiederholt zu sehen wünschen.“
Was Lessing in seiner Schrift „Laokoon oder: Über die Grenzen der Malerei und Poesie“ über die Dichtung sagt, gilt noch stärker für die Zeitkunst Tanz. In ihr ereignet sich das transitorisch Schöne, dem das (verschwenderische) Vergehen stets eingeschrieben ist:
„Dem Auge bleiben die betrachteten Teile [eines Bildes] ständig gegenwärtig; es kann sie abermals und abermals überlaufen: für das Ohr hingegen sind die vernommenen Teile verloren, wann sie nicht im Gedächtnis zurückbleiben.“
Im Tanz nährt das Gesehene des Bildes dem Gehörten der Musik sich an. Die Malerin, die zur Tänzerin wurde, entflieht in der Bewegung der statischen Materialität der Leinwand.
Junko Wada is a collaborative artist. As a dancer, she has worked with distinguished sound artists like Akio Suzuki, Rolf Julius, or Hans Peter Kuhn, as a performance artist, she has collaborated with countless musicians, visual artists, and writers. Making things happen, setting up festivals or performance serieses, in rural Japanese Tango as well in Berlin, Germany, became an important part of her work.
Opening herself to another artist’s work might be similar to accepting the unforeseen of open air environments in her performances. Wada’s public diary writing seems to emphasize this openness. There, she puts down in writing what she is experiencing at the moment or where ever her thoughts might lead her to. The artists is less a source of expression than a faithful, observing witness. The usual direction of communication in art becomes turned around.
In ihren Tagebuch-Performances verbindet Junko Wada das Flüchtige der Bewegung mit dem Bewahrenden von Malerei und Schrift. Das öffentliche, viele Stunden andauernde Schreiben von japanischer Kalligraphie stellt das Schreiben selbst aus – das Tagebuch ist später sowohl Text als auch Dokument des Schreibens.
An diesem Schnittpunkt von Kunst und Dokument stehen auch die jüngeren mehrkanaligen Video-Installationen mit Aufnahmen von Wadas Performances. Sie überführen das Nacheinander der Ereignisse einer Performance-Reihe in die Gleichzeitigkeit derer konzeptioneller Anlage. Zugleich entreißen sie die Aktionen der Vergänglichkeit. Das Vergangene gerinnt zur Idee:
„Wenn ich ihn denke, gefällt mir der Tanz, wenn ich ihn sehe, langweilt er mich gewöhnlich. Man hat nicht die Zeit, die Modulationen des Körpers eingehend zu studieren.“ (Paul Valéry)
The aspect of documentation, inherent both in Wada’s diary writing and her multi-channel video installations, joins movement and visual art again, this time in a more conceptual way. The document talks about the idea, not of the of actual activity which took place in the past. Just like Wada’s early canvases talked of the movements behind the brush strokes. The things remain the things that they are – they don’t tell. They don’t reveal.
Volker Straebel 03.2004