Das Schlagen der Papageienflügel
(Junko Wada im Haus am Waldsee)
Die Japanerin Junko Wada vereint zwei Welten: Sie malt, indem sie tanzt. Was dabei entsteht, zeigt jetzt das Haus am Waldsee.
Ein zierliches Persönchen springt auf die Leinwand zu, macht eine abrupte Drehung, prallt mit dem Oberkörper ab. Der Pinsel in ihrer Hand hinterlässt rote Striche auf dem blanken Weiß. Später wird sie ihre Fußspitzen in Farbe eintauchen, sich auf den Boden gleiten lassen und so weitere Spuren auf dem Bild setzen. Das Video im Haus am Waldsee zeigt die Japanerin Junko Wada bei einer acht Stunden dauernden Performance vor zwei Jahren während des Maerzmusik- Festivals im Haus der Berliner Festspiele. Die
Künstlerin ist Tänzerin und Malerin, in ihren großformatigen Gemälden vereint sie beide Disziplinen. In Berlin sind diese flirrend-farbigen Tanzspurenbilder nun erstmals in institutionellem Rahmen zu sehen.
Hier kennt man die Endfünfzigerin bisher vornehmlich als Performerin. Immer wieder hat Junko Wada mit Sasha Waltz zusammengearbeitet, ist im Hebbel am Ufer, in der Akademie der Künste oder im Haus der Kulturen der Welt aufgetreten, häufig auch mit dem Komponisten und Klangkünstler Hans Peter Kuhn, ihrem Ehemann. Abstrakt ist ihr Tanz, abstrakt ist auch ihre getanzte Malerei, die nun für kurze Zeit als Sommerintermezzo im Haus am Waldsee ausgestellt wird, bevor der Kunstherbst beginnt. Was als beinahe asiatisch anmutende, vor dem Auge hüpfende Kalligrafie beginnt, verdichtet sich immer zu einem harmonischen Gewebe, das an die französischen Impressionisten erinnert.
Sonnenflecken flackern durchs dichte Grün. Hunderte von tropischen Papageienflügeln schlagen hektisch durch die Luft. Zarte Blüten verschwimmen im Dunst. Westlich wirkt diese Kunst. Doch Junko Wada ist angetrieben von der fernöstlichen Auffassung, mit völlig freiem Geist und absichtslos auf die Leinwand zuzugehen. Unbewusst will sie ihre Tanzbewegungen ausführen. Zumindest strebt sie immer danach. Im Video, das zur Einstimmung im Eingangsbereich in den Ausstellungsräumen vom Haus am Waldsee installiert wurde, sieht man, wie die Performerin immer wieder prüfend zurücktritt und die Zwischenstadien begutachtet. Tanzt sie dann in eruptiven Bewegungen drauflos, scheint sie die Leinwand, diese vierte Wand im Raum, jedoch zu ignorieren. Auch wenn kein Publikum dabei ist und ihre Bilder nicht in erschöpfenden Performances entstehen, geht Junko Wada so vor. Monatelang dauern die Schichtungen der Farbe. Dadurch entsteht eine große Tiefe. Teile ihrer borstigen Schraffuren scheinen hervorzutreten, Wirbel zeichnen sich ab, Horizontalen strömen dagegen. Und immer wieder bleibt ein Pinselhaar kleben. Manche Bilder tragen Titel wie Yellow Dance , die meisten jedoch sind nach dem Entstehungsort oder einem Wochentag benannt. So ist auch Tango nicht etwa die Art dieses Tanzstils, mit dem sie ans Werk gegangen ist, sondern ein Ort in der Nähe Kyotos am Japanischen Meer, wo die Künstlerin gelebt hat, bis sie vor zehn Jahren endgültig nach Berlin gezogen ist.
Von der Malerei zum Tanz ist es nicht weit. Da streckt und beugt sich der Körper, da wischt die Hand mit der Farbe in großen Bögen über die Fläche. Zeitgenössische Tänzer wiederum sprechen immer wieder davon, dass sie mit ihren Choreografien Spuren im Raum hinterlassen. Junko Wada vereint all das. Denn sie versteht ihren ganzen Körper als Pinsel.
von Anna Pataczek / Kultur – Tagesspiegel 19.08.2014